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4. April 2016

Die Glocke läuten! (Bordairline)




Ihr glaubt nicht was es für ein Gefühl ist, 
diese blöde Glocke zu läuten!

(Gerald Gold)

Ein Monat vorher

Gerald Gold hat schon bei ein paar Vorträgen über die Freuden (und Leiden) der Hike-and-fly-Bewerbe erzählt, so auch im Anschluss an den Vortrag von Lex Robé.
Gerald war schon oft bei Bordairline-Bewerben dabei, voriges Jahr sogar bei der X-Alps

Der erste Bordairline-Bewerb des heurigen Jahres wird auf der Hohen Wand ausgetragen. 

Parallel dazu soll es geführte Walk-and-Fly-Touren geben. Eigentlich wollte ich dabei mitmachen. Oder doch beim Bewerb starten? 

Bei der Bordairline gilt es, innerhalb von 33 Stunden möglichst weit weg und wieder zurück zu kommen, wobei man sich gehend und fliegend fortbewegen darf. Ein Supporter ist erlaubt, aber der Pilot muss seine (Grund-)Ausrüstung selbst tragen. Fliegen in der Nacht ist natürlich verboten, aber wer will darf die ganze Nacht marschieren.

Bei der Bordairline kann jeder selbst bestimmen wo er seine Grenzlinie legt.
Es gemütlich oder sportlich angehen.


Nicht ganz, denn der Wendepunkt muss mindestens 15km (Luftlinie) vom Ausgangspunkt entfernt sein. Mindestens 20% der Flugstrecke, also mindestens 6km, müssen fliegend zurückgelegt werden, projiziert auf die Linie zwischen Ausgangs- und Wendepunkt.Wenn die geflogene Distanz zu kurz ist, wird die Geh-Strecke so weit reduziert dass der geforderte Prozentsatz erreicht ist.

Mein Gegner heißt also "Mindest-Anforderungen".

Studium der Landkarte, Flüge auf xcontest suchen. Vor allem für den Fall dass am ersten Tag der"falsche" Wind weht. Na ja, sieht nicht ganz unmöglich aus.
Ich habe keine Zeit zu trainieren. Deshalb muss meine Grund-Kondition ausreichen.


Eva, möchtest du mein Supporter sein?

So, die Würfel sind gefallen. Ich habe mich angemeldet. 



Eine Woche vorher

Derzeit wird für Samstag NW-Wind vorhergesagt, für Sonntag NO-Wind.
Das vorbereitete NW-Wind-Szenario für Samstag scheint also relevant zu werden.
Wettervorhersagen sind für so eine lange Zeit nicht zuverlässig, aber als erste Orientierung wird es wohl ausreichen.

Ich war schon lange nicht mehr am Schneeberg, bin dort noch nie geflogen, also machen wir am Ostersonntag eine Wanderung um das Gebiet ein bisschen kennen zu lernen.

Ich erkunde die NW-Seite der Hohen Wand zu Fuß. Vom Aussichtsturm auf der Kleinen Kanzel sieht man ein paar Paragleiter und Segelflieger an der SO-Seite der Hohen Wand fliegen. Sie machen also ordentlich Höhe. Mir ist es zu windig und zu böig zum fliegen.

Ich habe eine erste Version meines Plans: Von der Hohen Wand in Richtung Schneeberg fliegen so weit ich komme und weiter in diese Richtung gehen. Losenheim am Schneeberg ist 15 km vom Start entfernt, das würde schon als Umkehrpunkt genügen. Dann noch 2km auf die Edelweißhütte, dort übernachten, zurück nach Losenheim fliegen und zu Fuß zur Hohen Wand. 



Drei Tage vorher 

Vorhersage Südost, das wäre von der Richtung OK aber zu stark, und föhnig. Früh wegfliegen bevor der Wind zu stark wird? Der Plan wackelt. Der Fadensattel wird im Lee des Schneebergs liegen, so dass der Flug von der Edelweißhütte nicht möglich sein wird. In der Früh, bevor der Föhn losgeht, gibt es da vielleicht ein Startfenster? 


Freitag 1. April, ein Tag vorher

Wir treffen auf der Hohen Wand zum Briefing ein. Von 60 angemeldeten Teilnehmern hat sich ein Drittel offensichtlich vom Wind abschrecken lassen. "Ihr werdet schnelle Schirme brauchen." Alle finden es cool dass ich dabei bin - na ja, hoffentlich werde ich es am Sonntag Abend auch cool finden.

Soll die minimale Flugdistanz auf Grund der ungünstigen Windprognose aus Sicherheitsgründen von 20% auf 10% oder gar 5% reduziert werden?
Wir stimmen ab. Eine Gruppe hartgesottener will bei 20% bleiben. Mir wären 5% am liebsten, aber ich zeige wahl-taktisch bei 10% auf damit die 20%-Fraktion nicht gewinnt. 
Die 10%-Fraktion gewinnt.

Es ist kalt, windig und nieselt leicht. Im Auto liegen wir bequem, aber ich bin zu aufgeregt um gut zu schlafen. 



Samstag 2.April

Frühstück, Wetter-Briefing: Es sieht noch schlechter aus als befürchtet. Am Schneeberg weht es schon mit 60 km/h.

5 - 4 - 3 - 2 - 1 - Los! 


Alle rennen los, wir hasten zum Oststartplatz. Es weht bereits ein leichter Wind aus Ost. Fieberhaft werden Schirme aus den Rucksäcken gerissen und startklar gemacht. In der Luft denke ich mir: Was mache ich da? 


Ich habe mich vom Renn-Fieber anstecken lassen. Außerdem treibt mich der angekündigte starke Wind zur Eile. Eigentlich wollte ich warten bis Thermik entsteht, aber schon bin ich hinter den anderen her und in der Luft. Allerdings nicht lang. Mein Vario zeigt die Entfernung vom Startplatz. 2,5km - 2,6km - komme ich noch über diese Bäume? Bei der Ortstafel von Oberhöflein stehe ich schon wieder auf dem Boden, das Vario zeigt 2,9km. 3km hätte ich gebraucht. Allerdings zählt ja nur die auf die Linie zum Umkehrpunkt projizierte Distanz, und der Flug hat sowieso nicht viel gebracht - das haben auch andere erst nachher bemerkt.

Hans Abl aus Mariazell ist in der Nähe gelandet. Gemeinsam machen wir uns auf Schusters Rappen. Die Wanderwege sind gut beschildert und wir kommen schnell voran. Beim Plaudern vergeht die Zeit (leider nur fast) wie im Flug. Hans fliegt seit 30 Jahren, heuer steht das Jubiläum an. Damals wurde die Fliegerei von der Alpenvereins-Jugend betrieben. Es gab weder Ausbildung noch Schein, "wir sind schwarz geflogen". Man brauchte schon einen sehr steilen Startplatz um mit einer Gleitzahl von 3 überhaupt in die Luft zu kommen. Klapper kannte man nicht. Die kamen erst später, als die Schirme leistungsfähiger wurden.Ich ziehe meinen Hut vor den Pionieren die unseren heutigen Sport ermöglicht haben.

Am "Gländ" überholen uns zwei Paragleiter. Sie kommen natürlich schneller voran als wir Fußgänger, aber es sieht nicht gerade nach Genussflug aus. Auch einige andere sind in der Hoffnung auf einen Flug aufs Gländ hinauf gegangen, sind aber unverrichteter Dinge wieder abgestiegen.

Am Bahnhof in Puchberg treffe ich meinen Supporter zu einer Mittagspause, Hans geht alleine weiter. 

SMS von Rudi: Wartest du auf die Schneebergbahn? :) :)  
Er verfolgt das Rennen per Livetracking und sieht natürlich dass ich mich jetzt nicht bewege.
Er versorgt mich mit Informationen wo die anderen gerade sind und was sie machen.

Nach einer kurzweiligen Wanderung gibt es eine Rast am Parkplatz des Sesselliftes. Kakao und Gugelhupf - so sieht das harte Leben eines Bordairline-Athleten aus. Dann packt Eva die Sachen für die Übernachtung in ihren Rucksack und wir gehen gemeinsam auf den Fadensattel und zur Edelweißhütte.

Im Tal weht leichter Ostwind. Dir traue ich nicht, du bist doch sicher ein Lee-Rotor! Du willst mich nur in die Falle locken. Aber das Lüfterl begleitet uns treu bis zur Hütte - so böse kann es doch nicht sein. Noch ein Wetter-Check, dem WLAN auf der Hütte sei Dank.

Also, das ist aufg'legt: Jetzt wird nicht übernachtet sondern geflogen! Ein ruhiger Abgleiter über die Burg, noch einmal 2,9km. Das habe ich mir früher beim Wandern oft gewünscht, und so habe ich mir das Paragleiten damals vorgestellt: Auf den Berg gehen und dann einfach ins Tal hinaus schweben. Um diesen Flug haben mich später einige beneidet. Fast alle die in der Wertung hinter mir liegen sind wesentlich mehr gegangen als ich. Sogar über 100km. Sonntag Früh hätte ich nicht fliegen können, das habe ich später erfahren. Ich werde ein gültiges Ergebnis abliefern, so viel ist jetzt schon sicher. Und dann ist mein Ziel erreicht.

Jeden km den ich heute noch gehe muss ich morgen nicht gehen, also wandere ich noch bis Puchberg. Eva hat inzwischen ein hübsches Platzerl zum Übernachten ausfindig gemacht.



Sonntag 3.April

Ich habe zwar massenhaft Zeit, aber der Tatendrang lässt mich nicht mehr schlafen. Eva bringt mich wieder nach Puchberg und fährt zurück zum Übernachtungsplatz. Eine Stunde später gibt es ein gemütliches Frühstück.

Der Rest ist schnell erzählt. Ich wandere geradezu leichtfüßig dahin, spüre das "Packl" fast nicht. Beim letzten Aufstieg über die Völlerin ruft es sich dann doch noch in Erinnerung. 

Und dann: Ins Ziel laufen und die Glocke läuten!

Die Auswerter kämpfen noch mit den Tücken der Elektronik. Aber dann steht fest: Tommy Hofbauer hat gewonnen. Er ist 30km geflogen, und das bei besch... Bedingungen. David Schweiger, 4. Platz, ist 150km gegangen. Wenzel Piel hat seinen Umkehrpunkt bei Losenheim gesetzt, also konsequent die Minimaldistanz anvisiert (wegen der ungünstigen Projektion des ersten Fluges hat er die 10% nicht erreicht, aber die 15km Distanz zählt trotzdem). 


Ich habe die zweit-kürzeste Strecke (42km) zu Fuß zurückgelegt und bin trotzdem am 20.Platz von (je nach Zählung) 31 bis 36 Teilnehmern, sagen wir Mittelfeld. Meine Rechnung ist aufgegangen. Jetzt finde ich es auch cool. 








Das harte Leben eines Bordairline-Athleten...












Mein Track


This map was created using GPS Visualizer's do-it-yourself geographic utilities.

Please wait while the map data loads...


Mein Track ist am Anfang sehr ungenau, wahrscheinlich musste sich das GPS erst "warmlaufen".

Tracks der anderen Teilnehmer: siehe unten.


Gesammelte Tracks ... ©Jörg Müller


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