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12. Mai 2022

ParaCam: Eigenbau-Helmkamera




Eine Helmkamera an der sich keine Leinen verfangen können. 

 

Es wundert mich, dass noch niemand auf diese Idee gekommen ist. Für Helm-Hersteller bietet es sich an, die Kamera serienmäßig in einen Helm zu integrieren. Ich nenne mein Projekt ParaCam (nicht zu verwechseln mit Putzmittel "Camphorated Parachlorophenol" oder mit Paracam-650 Tabletten gegen Fieber, die ebenfalls auf diesen Namen hören). 

Helmkameras sind beim Fliegen verbreitet. So nützlich und praktisch diese Lösung für die meisten Sportarten ist, beim Paragleiten sind sie nicht unproblematisch. Abgesehen vom Luftwiderstand können sich Leinen darin verfangen, was je nach Situation entweder eine Blamage oder eine akute Gefahr darstellt. 

Deshalb habe ich nach einer Lösung gesucht, bei der die Kamera so angebracht ist dass sich keine Leinen darin verfangen können. 

Die eigentliche Kamera kann sehr klein sein, wie man z.B. bei Handy-Kameras sieht. Elektronik, Akku, Display, Bedienelemente und ein (wasserdichtes) Gehäuse machen das Gerät aber sperrig und relativ unhandlich. 

Deshalb trenne ich diese Funktionen auf verschiedene Baugruppen auf. 

 


  • Die Kamera sitzt in einer stromlinienförmigen Verkleidung an der Stirn, bei meinem Prototyp ist sie im 3D-Drucker entstanden. 
  • Die Elektronik mit Speicherkarte (bei meinem Prototyp ein Raspberry Pi Zero [W]) ist an einer der Ohrenklappen angebracht und über ein flexibles Flachbandkabel mit der Kamera verbunden. 
  • Der Akku (Powerbank) ist über ein USB-Kabel mit der Elektronik verbunden und steckt in einer Jackentasche. Alternativ könnte man ihn auch am Helm befestigen, z.B. an der Rückseite.
  • Bedien- oder Kontroll-elemente gibt es keine. 

Sowie der Akku angesteckt wird, fährt der Prozessor hoch und beginnt mit der Aufnahme. Es werden Video-Sequenzen mit einer Länge von einer Minute aufgezeichnet und gespeichert. Nach der Landung Akku abstecken, die letzte angefangene Video-Sequenz mit einer Länge bis zu einer Minute geht dabei verloren. 

Die 1-Minuten-Videos, weil beim Abstecken die ungespeicherten Daten weg sind. Alternativ könnte man einen Taster vorsehen den man drücken muss damit das Video gespeichert wird. Aber wenn man ihn vergisst oder wenn der Strom während des Fluges  ausfällt, dann ist alles weg. Oder eine gepufferte Stromversorgung mit Spannungsausfall-Warnung. Aber das ist komplizierter.

Für die ProgrammiererInnen:  Damit es beim Speichern keinen Ruck gibt, habe ich mir eine besondere Lösung einfallen lassen. Zwei Ringpuffer, von denen immer einer geschrieben und der jeweils andere gelesen wird.

Durch dieses minimalistische Bedienkonzept gibt es nichts was bei der Startvorbereitung oder im Flug ablenken könnte. Anstecken und vergessen. 

Zu Hause gilt es dann, die Video-Sequenzen herunter zu laden, zusammen zu kopieren und zu konvertieren. 

Zum Herunterladen gibt es mehrere Möglichkeiten: 

Wenn ein Raspberry Zero W (also mit wlan) verwendet wird, kann man das wlan zum Herunterladen verwenden, aber das ist  sehr langsam.  Besser ist es, die Speicherkarte heraus zu nehmen und mit einem Adapter an den PC zu stecken.

Jetzt wird's noch einmal technisch: Der Raspberry Pi verwendet normalerweise ein Ext4 Dateisystem, das zwar von Linux-Rechnern gelesen werden kann, aber nicht von Windows. Daher habe ich eine Fat32 Partition auf der SD-Karte angelegt, die von Windows ohne Umwege gelesen werden kann (Danke Er Pe für den Tipp).

Das Zusammenkopieren und die Konvertierung in das mp4-Format  erfolgt mit dem open-source-Programm ffmpeg mit einer einzigen Kommadozeile bzw. mit einem script.

Das Video-Format wird per Software festgelegt. Im Prinzip sind Auflösung, Frame-Rate und Bildwinkel innerhalb der durch die Kamera festgelegten Grenzen frei wählbar. 

Die zwei besten Formate sind: 

  • 1296 x 972   Pixel, 42fps, Bildwinkel diagonal ca. 200°, keine Stabilisierung
  • 1920 x 1080 Pixel, 30fps, Bildwinkel diagonal ca. 160°, Stabilisierung

Die Kamera hätte an sich eine Auflösung von 5 Megapixel, sie kann Fotos mit dieser Auflösung machen, aber keine Videos mit vernünftiger Framerate.
Es gibt eine Kamera mit 8 Megapixel, aber die dürfte am Zero nicht laufen. 

Hier zwei Beispiele,

zuerst 1920 x 1080:

Und dann 1296 x 972:

Das Flimmern bei gewissen Licht-Einfalls-Winkeln dürfte von einer Verschmutzung der Kamera herrühren, das werde ich noch untersuchen.

Vor- und Nachteile: 

🙂 Kein Verfangen von Leinen
🙂 Akku-Laufzeit de facto unbegrenzt, bei einer 10Ah Powerbank ca. 30 Stunden
🙂 Gesamtpreis unter 50€
🙂/🙁 Keine Einstellungen, kein Display, keine Bedienelemente
🙁
Nachbearbeitung am PC erforderlich
🙁 Beim Prototypen (Raspberry Pi) relativ geringe Auflösung
🙁 kein Ton
🙁 nicht wasserdicht 

Zum letzten Punkt: Bei Regen haben wir in der Luft sowieso nichts verloren. Bei einer Wasserlandung im Sicherheitstraining ist die Elektronik wahrscheinlich kaputt, aber bei dem Preis ist das verschmerzbar. Der SD-Karte sollte Wasser nichts anhaben, also die Video-Dateien bleiben wahrscheinlich erhalten.

Natürlich kann man es beliebig erweitern und verbessern. 

  • Der von mir verwendete Raspberry Pi Zero W, also mit wlan, ist in der Lage, das Video-Bild auf ein externes Gerät zu streamen. So könnte man es vor dem Start überprüfen. Der Einfachheit wegen habe ich das aber nicht realisiert. 
  • Höherwertige (teurere) Komponenten würden eine bessere Video-Qualität ermöglichen. 
  • Eine Echtzeit-Uhr mit Pufferbatterie würde sicherstellen dass das File-Datum korrekt ist, derzeit entspricht das File-Datum nicht der korrekten Uhrzeit. 
  • Mikrofon 
  • ...

Raspberries sind derzeit schwer zu bekommen. Ich habe einen zu Hause gehabt, bei dem war aber der Kamera-Stecker ausgeleiert. Es ist öfters heraus gerutscht und dann habe ich am Startplatz herum gefummelt um es wieder hinein zu bekommen. Beim Conrad habe ich dann einen Zero um 20€ (kostet normal ca. 12€) mit zwei Wochen Lieferzeit bekommen. Für eine Massenproduktion wäre das nichts, aber für ein Bastelprojekt kann ich damit leben. 

Die Technik der ParaCam lässt sich auch für andere Anwendungen verwenden, z.B. auf einem Modell(boot). Siehe Modell-Blog

Ich verwende meinen Prototyp so wie er ist und habe viel Freude daran.  Unterlagen zum Nachbau stelle ich für nicht-kommerzielle Nutzung gerne zur Verfügung. 





3 Kommentare:

  1. Hallo Martin!
    Sehr coole Idee, danke für's Teilen! Welches Kameramodul setzt du denn ein?
    LG,
    Moritz

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    1. Hallo Moritz,
      es ist eine Raspberry V1 Kamera. Ich habe eine zu Hause gehabt, den Bildwinkel weiß ich nicht und werde ihn nachmessen. Die 200° die ich angegeben habe sind ein bisserl viel, aber das ist natürlich Geschmacksache. Die standardmäßigen 60° sind zu wenig.
      LG, Martin

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  2. Hi,
    coole Idee! Alternativ könnte man bestimmt auch ein FPV HD Recorder Modul wie die Runcam Split verwenden ( https://shop.runcam.com/runcam-split/ die Split ist schon ein paar Jährchen alt und wird nichtmehr produziert, was aber die aktuelle Alternative ist weiß ich nicht genau (flieg kein FPV mehr)) wäre auch ohne Linux Kenntnisse und mit weniger Bastelei (Akkustecker anlöten + evtl. Knopfkabel verlängern) umsetzbar. Und bietet höhere Qualität und einfachere Handhabung.
    LG
    noch ein Moritz xD

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